Luca Guadagnini
(Kein) Weltuntergang
von Chris Bush
Regie Sophia Aurich | Bühne & Kostüme & Video Ayşe Gülsüm Özel | Musik Friederike Bernhardt
Dramaturgie Friederike Wrobel | Licht Jan Wagner | Regieassistenz Sarah Caliciotti
mit Karin Yoko Jochum, Margot Mayrhofer, Patrizia Pfeifer, Corinne Thalmann
Premiere am 14. Januar 2023 an den Vereinigten Bühnen Bozen
„Von allen möglichen Welten, die es gibt und von allen Welten, die es hätte geben können, ist das die genau richtige Welt. Durch kosmisches Geschick oder göttliche Fügung in Verbindung mit Millionen Jahren Evolution wurde uns ein Planet geschenkt, auf dem wir nicht bloß überleben müssen, sondern auf dem wir uns ausbreiten können. Wir sind Glückspilze. Vom Schicksal verwöhnt. Vorerst.“
Der Weltklimarat bezeichnete es 2022 in seinem sechsten Bericht erstmals als „eindeutig“, dass der Klimawandel eine Gefahr für das Wohl der Menschen und unseres Planeten darstellt. Und während die Staaten, in fast schon üblicher Manier, nach jedem Bericht ihre Klimaziele zögerlich anpassen, ist der Klimawandel in Form von Waldbränden, Gletscherschmelze, Überschwemmungen und anderen extremen Wetterereignissen längst vor unserer Haustür angekommen. Das Zeitfenster für unseren Handlungsspielraum schließt sich und jede einzelne unserer Entscheidungen zählt. Das zeigt auch die junge britische Autorin Chris Bush exemplarisch in „Kein Weltuntergang“. Fragmentarisch spielt sie ein und dieselbe Erzählung in unzähligen Möglichkeiten durch – schnell wird dabei deutlich, dass auch kleine Details den Lauf der Dinge verändern können: In einem Bewerbungsgespräch versucht Dr. Anna Vogel, einen Job am Institut der renommierten Klimaforscherin Prof. Uta Oberdorf zu ergattern. Dabei gerät sie immer wieder ins Straucheln – mal durch das Patriarchat, mal durch den Generationenkonflikt, mal durch die eigene Inkonsequenz, ihre persönlichen Überzeugungen in ihrem Handeln umzusetzen.
Pressestimmen
«Bei bloßem Fact-Dropping bleibt man nicht, die ausgewählten „Wussten Sie schon?“- Momente erfüllen einen Zweck als Metaphern und werden, vorgezogen oder verzögert aufgeschlüsselt in der anachronistischen Erzählung des VBB-Stücks unter der Regie von Sophia Aurich. Das Stück der jungen Britin Chris Bush von 2021 entwickelt sich, aus Verhören, Erinnerung und quantenphysikalischen Ansätzen (Multiversums- oder Parallelwelten-Theorie) heraus zu einem Variantenspiel, das eine oberflächlich einfache Erzählung in ihrer unterschwelligen, tatsächlichen Komplexität zeigt. {...}
Die Perspektive, dass hier ein mensch-gemachtes Problem das menschliche Verständnis übersteigt kann auf den einen oder anderen verstörend wirken, mit der Macht und Ohnmacht des Einzelnen hadert man für die Aufführungsdauerauf der Bühne. {...}
Erzählerisch vorgegangen wird auf vielen parallel zu einander verlaufenden Ebenen: Da sind die Tatsachen-Handlung, die von einem Vorstellungsgespräch ausgeht, die Stimme einer erst gegen Ende als Figur greifbaren Erzählerin (Margot Mayrhofer), eine Verhörsituation (geführt von Corinne Thalmann) und eine werdende Mutter Erde (ebenfalls Thalmann). {...} Hinzu kommen Projektionen auf drei Bildschirmen und einem Plastik-Asteroiden, der als bedrohliches Element überdem Bühnenraum (Ayşe Gülsüm Özel, Bühne und Kostüme) hängt. In Farben und Details verstecken sich Metaphern, stimmungsvolles Licht (Jan Matthias Wagner) und sphärische Musik (Friederike Bernhardt) versuchen ihr Übrigesdazu beizutragen den verknoteten Handlungsfaden atmosphärisch zusammen zu halten.{...}. Das Stück ist lehrreich, streift pädagogisches Terrain allerdings nur leicht. Man bietet keine einfachen Antworten zu komplexen Frage-Stellungen.»